Verbotene Werbung

Laut Duden ist das:

1. eine systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o. ä. Ideen und Meinungen mit dem Ziel, das allgemeine Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen, und

2. wirtschaftlich: Werbung und Reklame.

Es gibt einen feinen Unterschied zwischen Werbung und Propaganda. Während es bei der Werbung nur um Produkte und Dienstleistungen geht, geht es bei Propaganda um Ideen, Werte und Weltanschauungen.

Während man mit Werbung nur den Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung erreichen will, möchte Propaganda eine ewig währende Zustimmung erreichen.

Einstellungen und Emotionen sollen langfristig beeinflusst werden. Alles, damit ein Sachverhalt nicht mehr hinterfragt wird.

Darum ist Propaganda im Gegensatz zu Werbung so gefährlich. Es findet eine Art Gehirnwäsche statt.

 

Intim-Chirurgie ist eine Dienstleistung. Dafür muss bei den potentiellen Kundinnen aber ein Bedarf geweckt werden. Dies findet durch die Verbreitung eines kranken Schönheitsideals statt. Und dadurch, dass man potentiellen Kundinnen einen Makel einredet. Und das ist durchaus mit Propaganda zu vergleichen.

Sich selbst erfüllende Prophezeiung eines Pseudotrends

Immer wieder übernehmen Journalisten die Propaganda von den Internetseiten von Intim-Chirurgen völlig unkritisch. Ein Beispiel ist die Behauptung, dass sich immer mehr Frauen dafür interessieren. Es heißt, es sei ein Trend, den immer mehr Frauen nachfragen. Jemand, der selbst größtes Interesse daran hat, dass diese Eingriffe zum Trend werden, weil er oder sie damit Geld verdient, ist aber nicht glaubwürdig.

Je öfter diese Inhalte von Journalisten wiederholt werden, desto mehr entsteht der Eindruck, dass dies wirklich ein Trend sei. Der Glaube, etwas sei ein Trend, macht die Sache dann bei bestimmten Zielgruppen tatsächlich zu einem Trend. Welche Frauen neigen dazu, einem “Trend” zu folgen? Selbst-unsichere, vermutlich eher junge Frauen.

Deutsches Ärzteblatt: Intimchirurgie: Ein gefährlicher Trend

” (…) Angesichts der medialen Aufbereitung des Themas ist absehbar, wie sich aus dem (…) Verhalten Einzelner zunehmend eine neue soziale Norm entwickelt, die insbesondere junge Frauen unter Druck setzen kann. (…)”

 

Die Wahrheit sieht ganz anders aus:

Ich persönlich kann mir diesen Trend bei den selbstbewussten, sportlichen deutschen Frauen überhaupt nicht vorstellen und es stimmt auch nicht. Schau ich mir eine der spärlich vorhandenen Statistiken an, dann ist die häufigste Schönheitsoperation in Deutschland mit 12,4 % die Lid-Straffung, also eine Operation am Auge, ganz weit weg von den Genitalien. Auf der zweiten Stelle stehen mit 10,2 % Eingriffe an den Brüsten mit Implantaten. Weit abgeschlagen, an letzter Stelle mit nur 2,8 % im Jahr 2017 kommen dann sogenannte Intim-OPs.

Quelle: Statista, Anteil der häufigsten Schönheitsoperationen bei Frauen in Deutschland

Manche Chirurgen mögen den Eindruck haben, dass diese Operationen bei ihnen in der Praxis stark zunehmen. Das mag aber auch daran liegen, dass sie sich auf dieses Gebiet spezialisiert haben und gezielt “Werbung” dafür machen, durch die sie den Frauen einen Makel einreden.

Durch die ständige Propaganda-Maschine, die von unbedarften Journalisten einfach nur übernommen wird, soll vermutlich der Eindruck vermittelt werden, Frauen könnten einen wichtigen Trend verpassen. Dieser Trend ist jedoch nicht real, sondern nur ein Wunschtraum von Chirurgen, die damit ihr Geld verdienen.

Frauen, die ihre Genitalien noch nie gesehen haben? Wegen der Haare? Im Ernst?

Der Propaganda-Wahnsinn kommt mit einer Behauptung: Ursache des Pseudo-Trends der Intim-Chirurgie sind angeblich Rasuren im Intimbereich. Intimrasuren sind ebenfalls ein ausgedachter Trend. Nach der Rasur können Frauen angeblich zum aller ersten Mal ihre eigenen Genitalien sehen!

Schlagartig wird ihnen dann bewusst, dass sie damit sofort zum Chirurgen rennen müssen. Und niemandem fällt auf, wie unrealistisch das ist. Das ist doch wieder nur der Wunschtraum, wie sich Chirurgen die Welt vorstellen.

Tatsächlich rasieren sich mehr Männer den Intimbereich, als Frauen. Selbst beim stärksten Haarwuchs sind weibliche Genitalien noch sichtbar. Auf Schamlippen und Klitoris wachsen keine Haare. Jeder Mensch kennt die eigenen Genitalien. Auch mit Haaren.

Mit ziemlicher Sicherheit wurde diese Informationen von der Website eines Intim-Chirurgen entnommen und unreflektiert weiter verbreitet.

Dürfen die das denn? Verbot der Irreführung!

Wenn Bilder mit normalen weiblichen Genitalien mit erfundenen medizinischen Begriffen wie “Labienhypertrophie”  oder “Klitorisprotrusion” betitelt werden, dann ist das Irreführung und fiese Propaganda.

Und verboten ist es laut § 3 des  Heilmittelwerbegesetz eigentlich auch:

“(…) § 3 Unzulässig ist eine irreführende Werbung. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, (1) wenn Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben (…)”

Keine Frau ist krank, wenn sie einem kranken Schönheitsideal nicht folgt. Und Schönheitsoperationen machen auch niemanden wirklich gesund.
“Labienhypertrophie” und “Klitorisprotrusion” sind Begriffe, die von der Ästhetischen Chirurgie frei erfunden wurden, um die Eingriffe an den weiblichen Genitalien zu rechtfertigen.

Unlauterer Wettbewerb durch Beeinflussung

Eine weitere Einschränkung für Werbung und Propaganda ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG.

In § 2 des UWG wird unter Punkt 8 definiert, was eine “wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers” ist.  Demnach handelt es sich um:

“(…) die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. (…)”

 

Füttert ein Berufsstand potentielle Kundinnen mit einseitigen oder falschen Informationen, dann treffen diese Kundinnen Entscheidungen, die sie nicht getroffen hätten, wenn sie die ganze Wahrheit wüßten.

In § 3 des UWG heißt es, dass unlautere geschäftliche Handlungen verboten sind. Im Anhang findet sich eine lange Liste, was alles dazu gehört. Zum Beispiel Punkt 11, “als Information getarnte Werbung”.

Auch Punkt 18 “die unwahre Angabe, eine Ware oder Dienstleistung könne Krankheiten, Funktionsstörungen oder Missbildungen heilen” trifft auf Schönheitschirurgen meiner Meinung nach voll zu. Sie kreieren zuerst ein Schönheitsideal, dass fast niemand erreichen kann. Dann stellen sie normale Frauenkörper als missgebildet dar und bewerben sogleich ihre chirurgischen Eingriffe, mit denen sie diesen Makel zu heilen versprechen.

§ 4a UWG beschäftigt sich mit aggressiven geschäftliche Handlungen.

Zum Beispiel (3) durch unzulässige Beeinflussung. Und dazu gehört unter (2) Punkt 3:

“(…) die bewusste Ausnutzung von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers beeinträchtigen, um dessen Entscheidung zu beeinflussen.(…)”

§ 5a UWG: “Irreführung durch Unterlassen” beschreibt, dass es unlauter ist, wenn einem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten wird. In Bezug auf Schönheitschirurgen könnte das sein, wenn Operationsrisiken gar nicht erst genannt oder heruntergespielt werden oder wenn ein Chirurg die Korrektur einer misslungenen Korrektur anbietet, aber nicht sagt, dass es dabei wieder nur ums das Abschneiden von Körperteilen geht. Oder wenn der Chirurg gar keine entsprechende Ausbildung hat.

Achtung Werbung!

Wir kennen alle diese irritierend euphorischen Texte in Magazinen, bei denen erst nach zweimaligem Hinschauen klar wird, dass es sich um Werbung handelt! Deutlich zu erkennen an dem Wort “Anzeige” am oberen Rand des Textes.

Auch die Internetseite eines Intim-Chirurgen kann als eine solche Werbeanzeige angesehen werden. Kritischen Informationen kann man dort kaum oder gar nicht erwarten.

Natürlich möchte ein Plastischer Chirurg über den Eingriff aufklären und informieren. Dabei werden oft wichtiger Informationen weggelassen:

Probleme nach dem Eingriff werden nicht erwähnt. Operations-Risiken werden heruntergespielt. Informationen über unzufriedene Kundinnen fehlen. Es werden keine Alternativen genannt.

Vor dem Eingriff nach kritischen Infos suchen

Eine aufgeklärte Verbraucherin sollte sich bei neutralen Stellen informieren! Es ist sehr wichtig, auch die kritische Seite des Eingriffs zu verstehen. Und das sollte passieren, bevor es zu spät dafür ist.

Zum Beispiel bei der Verbraucherzentrale. 

“(…) Vor dem Eingriff

  • Fragen Sie im Beratungsgespräch nach möglichen Nebenwirkungen, Risiken und Komplikationen und lassen Sie sich diese eingehend erläutern! (…)
  • Erkundigen Sie sich, über welche Qualifikationen die behandelnden Ärzte verfügen und wie oft der geplante Eingriff von ihnen schon durchgeführt wurde!.(…)”

Früher war die Leitlinie eine Hilfe. Zur Zeit gibt es keine gültige Leitlinie. Eigentlich sollte es ab dem 13.5.2018 wieder eine geben, aber sie ist wohl noch nicht fertig. Hier ist ein Link zur alten Leitlinie [Stellungsnahme der DGGG zur Intimchirurgie].

Informationen über fehlgeschlagene Schönheitsoperationen finden sich äußerst selten. Ganz besonders, wenn es um Genitalien geht. Das bedeutet keinesfalls, dass es in diesem Bereich nur Erfolge gibt. Die Betroffenen schweigen.

Manchmal finden sich nur in Internet-Foren Informationen darüber, was alles schief gehen kann. Eine gezielte Suche in solchen Foren kann wichtige Informationen enthalten.

Hier erfährt man etwas über Überkorrekturen und langfristige Komplikationen wie Schmerzen.

Opfer der Propaganda: Jugendliche!

In Foren, die manchmal von Chirurgen moderiert werden, die dort auf Kundenfang gehen, sieht man die hässliche Wahrheit.

Der Eingriff wird leider schon von ganz jungen Frauen nachgefragt. Sogar Minderjährige gehen in solche Foren.

Diese brauchen dann nur die Unterschrift ihrer Eltern, schon ist die europäische Genitalverstümmelung perfekt. Damit verdienen Chirurgen ihr Geld und schämen sich nicht einmal dafür!

Die Unsicherheit und Minderwertigkeitskomplexe junger Frauen und Mädchen werden knallhart ausgenutzt.

Es gibt eine englischsprachige Leitlinie aus den USA : Brust- und Schamlippen-Operationen an Jugendlichen. Dort heißt es:

“(…)Individuen sollten auf körperdysmorphe Störungen untersucht werden. Wenn ein Geburtshelfer / Gynäkologe vermutet, dass ein Jugendlicher eine körperdysmorphe Störung hat, ist eine Überweisung an einen Psychiater angebracht (…)

(…) Ärzte sollten sich bewusst sein, dass eine chirurgische Veränderung der Schamlippen, die für die Gesundheit des Jugendlichen, der jünger als 18 Jahre ist, nicht notwendig ist, eine Verletzung des Bundesstrafrechts darstellt (10). Mindestens die Hälfte der Bundesstaaten hat unter bestimmten Umständen auch Gesetze, die die Labiaplastik kriminalisieren, und einige dieser Gesetze gelten für Minderjährige und Erwachsene. Geburtshelfer / Gynäkologen sollten sich der Bundes- und Landesgesetze bewusst sein, die diese und ähnliche Verfahren betreffen. (…)”

[Wurde übersetzt] Quelle: Breast and Labial Surgery in Adolescents

Derartige Hinweise fehlen bei uns. Das Bewusstsein, dass eine sogenannte Schönheitsoperation eine Genitalverstümmelung sein kann, fehlt in Deutschland vollkommen. Aufklärung scheint zu fehlen.

Es ist immer gut zu wissen, dass Ärzte und Chirurgen eine Berufsordnung haben, an die sie sich halten müssen.

Einen guten plastischen Chirurgen erkennt man daran, dass er auch über Alternativen (wie Psychotherapie) aufklärt. Ein verantwortungsvoller Chirurg wird nicht alles um jeden Preis operieren.

Ein Chirurg, der mögliche Komplikationen herunterspielt und sich selbst in höchsten Tönen lobt, sollte frau schleunigst verlassen.

Das Ziel des Ganzen: Geld, Geld, Geld

Es gibt eine Menge Gesetze und Vorschriften, an die sich Ärzte und auch plastische Chirurgen halten müssen. Wie alle anderen, die Waren und Dienstleistungen verkaufen.

Wenn überhaupt, gehen Sie bitte nur zu einem Facharzt. Die geschützte Berufsbezeichnung ist “Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie”. Aber auch das schützt nicht zuverlässig vor misslungenen Ergebnissen, Komplikationen, Behandlungsfehlern und Fusch.

Vielleicht ist es hilfreich zu wissen, dass sogar bei sogenannten Schönheitsoperationen nach der Gebührenordnung für Ärzte abgerechnet werden muss. Das steht in der Berufsordnung für Ärzte:

“(…) § 12 Honorar und Vergütungsabsprachen

(1) Die Honorarforderung muss angemessen sein. Für die Bemessung ist die amtliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) die Grundlage, soweit nicht andere gesetzliche Vergütungsregelungen gelten. (…)”

Auch IGEL-Leistungen müssen so abgerechnet werden. Das Problem dabei ist leider, dass Schönheitsoperationen dort nicht wirklich aufgeführt werden.

Bezahlen Sie den Eingriff auf jeden Fall nicht im Voraus. Auch wenn plastische Chirurgen das gerne als üblich bezeichnen, scheint es doch nicht erlaubt zu sein. Zumindest ist es eine sehr Verbraucher-feindliche und un-ethische Vorgehensweise, einen Vorschuss oder Vorauszahlung zu verlangen:

“(…) Ärzten ist es aber gar nicht erlaubt, Vorschüsse zu fordern. Dies widerspricht dem ärztlichen Standesrecht und auch dem Gedanken des ärztlichen Dienstvertrages. (…) Trotzdem ist diese Praxis weit verbreitet. Dies hat einen guten Grund: Ist der Vorschuss einmal gezahlt, müsste der unzufriedene Patient diesen klageweise zurückholen. Und dies scheuen viele Patienten, auch wenn das Operationsergebnis enttäuschend war. (…)”

Quelle: Über die Risiken und Fallstricke bei Schönheitsoperationen – worauf Sie als Patient achten sollten

Das beste Mittel, nicht auf derartige Propaganda hereinzufallen ist, gut informiert zu sein. Akzeptiere Dich, wie Du bist. Lasse nicht zu, dass einer mit Deinem Leid Geld verdient. Es ist schade, dass es überall nur noch um Geld geht. Bei sogenannten Schönheitsoperationen ist das besonders der Fall.

Weitere Informationen:

Ärzteblatt  ärztliche  Werbung im  Wandel: Was darf ein Arzt wirklich? Artikel / PDF

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